In der Adventsnummer von motz sagt der Bundespräsident etwas über die anfängliche Begeisterung: "Obdachlose die etwas auf die Beine stellen, die selber für sich sorgen wollen, die dem Vorurteil entgegenwirken, sie wollten nur durch Betteln von der Arbeit anderer profitieren!" Und es stimmt: die motz-Verkäufer konnten mich (neulich in Berlin angekommen) freundlich aufnehmen, sie verkaufen auch alte Möbel und Bücher, sie haben schon was auf die Beine gestellt.
Die Formulierung die der Bundespräsident als Referat binnen ein anderes Referat anführt, betrifft mich doch. Ich bin kein Bauer noch Bäcker, kein Fischer, kein Hirte noch Metzger oder Molker, kein Schafhirte noch Baumwollezüchter, noch einer der durch Öhlbohren oder Bäumefällen zu Synthetstoffe beigetragen hätte, kein Winzner oder Brauer, nit a Mal a g'heimnistuarischer Coca-Cola-Produzent oder Negerschinder (oder geschundener Neger)(1) auf den Kakao-Plantagen Ghanas, und auch kein Architekt oder Baurbeiter.
Jedes einzelne Mal daß ich esse, trinke, mich anziehe oder von Wärme unter Obdach genieße, profitiere ich von der Arbeit anderer. Und das thut eben jeder andere auch der nicht alles obengenannte ist (nun, er braucht nicht Kakaoplantagenbesitzer bzw -Arbeiter oder Öhlbohrer sein, wenn er auch ohne Kakao und Nylon auskommt). Aber irgendwie sehen manche von uns einen Unterschied den ich etwas auf den Puls fühlen möchte.
Was ist der Unterschied ...
...zwischen motz-Verkäufer und B.Z.-Verkäufer (normale, nicht die hübschen Werberinnen auf der Straße)?
- Der B.Z.-Verkäufer verkauft teuer bezahlte Werbung mit und kann sich manchmal sogar leisten den motz-Verkäufer vom Grundstück zu jagen, daß er außer dem Geschäft mietet.
...zwischen Straßensänger und Opernmusiker?
- Der Opernmusiker hat in der U-bahn gewöhnlich keine Blaumänner mit Rotkappen zu fürchten und kann sich leisten ab und zu für einen schmäleren Geschmack zu musizieren: er nimmt normalerweise von allen zuhörern Bezahlung.
Oder auch:
- Mozart hatte Probleme mit der Miete, und von ihm sind einige der populärsten Stücke des Opernmusikers der gewöhnlich keine hat. Der Straßenmusiker singt und spielt Paul McCartney, der wiederum auch keine Probleme mit der Miete hat: wenn er selbst keine hat, dann gewöhnlicherweise weil er keine Wohnung hat.
...zwischen Bettelinvalide und Aktienmillionär?
- Der invalide kann sich ab und zu selber leisten, wenn er es will, ein Rauschgift zu nehmen, z.B. um die Phantomschmerzen im amputierten Fuß zu stillen, der Aktienmillionär hat dafür gewöhnlich Kinder im Jugendalter die es sich noch viel öfter leisten können, wenn sie es wollen, z.B. um den Schulverdruß zu stillen.
...zwischen Bettler und Heilsarmeeoffizier?
- Der Heilsarmeeoffizier steht so lange bei dem Spendentopf bis er Ablösung bekommt und geht dann nach Hause oder um die obdachlosen Gäste zu bewirten. Wer für sich selbst bettelt steht oft so lange bis er sein Geld fürs Essen oder Trinken hat - und trinkt manchmal mehr um die Nachtkälte auszuhalten.
...zwischen einen Bedürftigen der z.B. bettelt und einen, der von ämtlichen Entscheidungen abhängt?
- Oh, nicht nur einen sondern wenigstens drei:
1. Der freie nimmt manchmal Drogen die er denkt daß er bräuche, so mancher Institutionsgepflegter nimmt Drogen die ein Psychiatriker denkt daß er bräuche. Er verdient sein Geld wie er es für angemessen hält, so mancher Vorgesorgte wie das Sozialamt es für angemessen hält.
2. Der Bedürftige der sich selbst repräsentiert, den können Sie anschauen und oft genug ansprechen, und Sie entscheiden, was sie ihn geben, und er, ob er's auch haben will - den Gepflegten oder Vorgesorgten kennen Sie aus Präsentationen seiner Pfleger und ökonomischer Vorsorger, Sie zahlen Steuer und er wird auch manchmal gezwungen die Hilfe anzunehmen.
3. Nehmen wir an Sie entschließen sich zur Spende: Der Straßenbedürtige vordert keinen Lohn für Beamte die ihn helfen - weil Sie, edler Spender, der von der Vorsehung eingesetzte Beamte dafür sind. Und keinen Lohn für den Steuereintreiber der das Geld von Ihnen nimmt, damit sie es nicht auf Schlechteres vergäuden - weil Sie diesmahl selber entscheiden auf wieviel und wann Sie verzichten, was auch a' erspartes Amt ist.
Hans Georg Lundahl
(1) Fußnote: Auf Kakaoplantagen in Ghana kommt es vor daß die Arbeiter, gewöhnlich junge Schwarze, wirklich geschunden werden: eingesperrt, schlechte Unterkunft, sauschlechte Bezahlung...laut El Semanal, spanisches Wochenmagazin, ein heuriger Artikel über heutige Sklaverei. Der eingebürgerte ausdruck Negerschinder soll freilich keine Mißachtung vor dem geschundenen Neger oder Schwarzen ausdrücken.
PS: Wenn hier Sympathie für Trunk- oder Drogen-"süchtige" ausgedruckt wurde, heißt das nicht, daß ich einer wäre, nur daß ich gut erzogen bin.
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