Friday, February 27, 2015

Eine Freiheit des mittelalterlichen Leibeigenen oder nicht?

Laut der Wiki, nicht:

Die Leibeigenschaft oder Eigenbehörigkeit bezeichnet eine vom Mittelalter bis in die Neuzeit verbreitete persönliche Verfügungsbefugnis eines Leibherrn über einen Leibeigenen.[1]

Leibeigene waren zu Frondiensten verpflichtet und durften nicht vom Gutshof des Leibherrn wegziehen. Sie durften nur mit Genehmigung des Leibherrn heiraten[2] und unterlagen seiner Gerichtsbarkeit.[3]

Von der Wikipädie : Leibeigenschaft
http://de.wikipedia.org/wiki/Leibeigenschaft


Nämlich ohne Genehmigung des Leibherrn heiraten. Nun, wohin tun wir diese Sachlage und woher haben wir den Aufschluß?

[1]Ullmann, Holsteinische Leibeigene, S. 32
[2]Ullmann, Holsteinische Leibeigene, S. 125
[3]Ullmann, Holsteinische Leibeigene, S. 139


Und der vollständige Titel?

Ingo Ullmann: Die rechtliche Behandlung holsteinischer Leibeigener um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Dargestellt unter besonderer Berücksichtigung der Schmoeler Leibeigenschaftsprozesse von 1738 bis 1743 sowie von 1767 bis 1777. Lang, Frankfurt am Main u. a. 2007, ISBN 978-3-631-55736-5 (= Rechtshistorische Reihe Band 346, zugleich Dissertation an der Universität Kiel 2006).


Bitte, etwas muß hier vorgeschoben werden: Die rechtliche Behandlung holsteinischer Leibeigener um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

Holstein war protestantisch und es geht hier um das Zeitraum "um die Mitte des 18. Jahrhunderts" - inzwischen hat es einen Dreißigjährigen Krieg gegeben, und in der Wende versuchten viele Adelige die Rechte gegenüber dem Bauerntum zu stärken, bzw. die Rechte der Bauern einzuschränken. In Schweden hat dieser Anschlag verfehlt. Leibeigenschaft ist in Schweden selbst (anders als in den Baltischen Besitzungen) nie eingeführt worden.

D. h. die Lage in Holstein kann "um die Mitte des 18. Jahrhunderts" schlimmer gewesen sein als sie je im Mittelalter war.

Nun, im Mittelalter hingegen wird der hl. Thomas von Aquin gesagt haben sogar Sklaven sollten heiraten dürfen und zwar nach eigener Wahl. Ich gebe das Sed Contra und den Corpus des Artikels (Supplement, Frage 52, Artikel 2):

On the contrary, "In Christ Jesus . . . there is neither bond nor free" (Galatians 3:26-28). Therefore both freeman and bondsman enjoy the same liberty to marry in the faith of Christ Jesus. Dagegen steht, "In Christus Jesus ... ist weder Sklave noch Freier" (Galaterbrief 3:26-28). Deswegen haben sowohl Freie wie auch Sklaven dieselbe Freiheit in dem Glauben Jesu Christi zu heiraten.
 
Further, slavery is of positive law; whereas marriage is of natural and Divine law. Since then positive law is not prejudicial to the natural or the Divine law, it would seem that a slave can marry without his master's consent. Weiter, Sklaverei ist von dem gestifteten Gesetz; aber Heirat ist aus natürlichem und göttlichem Gesetz. Da das gestiftete Gestez dem natürlichen oder göttlichen Gesetz keinen Nachteil zufügt, sheint es daß ein Sklave ohne Beifall seines Herrns heiraten kann.
 
I answer that, As stated above (1, ad 3), the positive law arises out of the natural law, and consequently slavery, which is of positive law, cannot be prejudicious to those things that are of natural law. Ich antworte, wie oben gesagt (Artikel 1, Antw an Einwand 3) das gestiftete Gesetz entsteht aus dem natürlichem Gesetz, und deshalb kann die Sklaverei die vom gestifteten Gesetz ist keinen Nachteil dem zufügen was aus dem natürlichem Gesetz ist.
 
Now just as nature seeks the preservation of the individual, so does it seek the preservation of the species by means of procreation; wherefore even as a slave is not so subject to his master as not to be at liberty to eat, sleep, and do such things as pertain to the needs of his body, and without which nature cannot be preserved, so he is not subject to him to the extent of being unable to marry freely, even without his master's knowledge or consent. Nun, sowie die Natur den Beibehalt des Individuums sucht, so sucht sie auch den Beibehalt des Species, durch die Zeugung; weswegen, sowie ein Sklave nicht insolchermasen seinem Herrn untertan ist daß er nicht essen, schlafen, und solche Dinge tun könne die zu den Nöten seines Leibes gehören und ohne denen die Natur nicht beibehalten werden kann, ebenso ist er auch nicht soweit untertan daß es ihm unmöglich sei frei zu heiraten, selbst ohne Wissen oder Beifall des Herrn.


Ich denke, es gibt Gründe warum die Protestanten (d. h. großse Confessionen wie Lutheraner, Calvinisten und Anglicaner) historisch oft das Naturgesetz abgelehnt haben und auch heute tun: viele von ihnen waren viel mehr der Machtvollkommenheit der Herren oder der Väter oder der Obrigkeit zugetan als es bei Catholiken, zumal beim hl. Thomas der Fall war.

Schauen wir uns auch Einwand 4 mit seiner Antwort an:

Objection 4. Further, a master may sell his slave into a foreign country, where the latter's wife is unable to follow him, through either bodily weakness, or imminent danger to her faith; for instance if he be sold to unbelievers, or if her master be unwilling, supposing her to be a bondswoman; and thus the marriage will be dissolved, which is unfitting. Therefore a slave cannot marry without his master's consent.  Viertens. Weiter ist es einem Herrn möglich seinen Sklaven in ein fremdes Land zu verkaufen, wo die Frau desselben ihm nicht folgen könne, entweder durch körperliche Schwäche oder durch überhängende Gefahr für ihren Glauben; wie z. B. wenn er an Ungläubigen verkauft wird, oder wenn der Herr nicht willig ist [ihr zu gestatten dem Mann zu folgen] im Falle sie sei eine Sklavin; und so wird die Ehe aufgelöst, welches unbekömmlich ist. Deswegen kann ein Sklave nicht ohne Einwilligung des Herrn heiraten.
 
Reply to Objection 4. In such a case it is said that the master should be compelled not to sell the slave in such a way as to increase the weight of the marriage burden, especially since he is able to obtain anywhere a just price for his slave. Zum Vierten. In so einem Falle wird gesagt, ein Herr sollte gezwungen werden den Sklaven so zu nicht verkaufen daß die Ehepflicht eine größere Bürde werde, vor allem weil er überall dazu fähig ist für seinen Sklaven einen gerechten Preis zu erhlaten.


Ich denke, insofern als dies irgendwie durchsetzt wurde war es dem mittelalterlichen Sklaven im 13:ten Jahrh. viel freier als den Onkel Toms in den Südstaaten. Nota bene, wir reden hier von Zeitalter der Kreuzzüge, wo mit Sarazenen viel Contact gehalten wurde, und ein Herr konnte es vielleicht wählen einen Sklaven lieber an Sarazenen zu verkaufen um einen größeren Preis als den Gerechten zu erhalten. Aber der hl. Thomas meint, dies müsse verhindert werden.

Möchte sehen wie viele protestantische Theologen aus dem Holstein um die Mitte des 18. Jahrhunderts soviel Sorge hatten um die Freiheiten der Leibeigenen wie es beim hl. Thomas der Fall war - ausgenommen die Abolizionisten, wenn es damals und dort solche gab.

In Frankreich, wo der hl. Thomas schrieb gab es übrigens seit Jarhunderte keine Sklaven im eigentlichen Sinne mehr. Leibeigene gab es noch bis 1779, wo der König seine Leibeigene freließ, auf der königlichen Domäne, und anderswo bis 1789, wo es mit oder ohne Einwilligung der Gutsherren abgeschafft wurde.

Hans Georg Lundahl
UB von Nanterre
Der hl. Gabriel von der Schmerzhaften Jungfrau
27-II-2015

Summa Theologica > Supplement > Question 52 The impediment of the condition of slavery
Article 2 : Can a slave marry without his master's consent?
http://newadvent.com/summa/5052.htm#article2

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