Sunday, December 12, 2021

Schonisch und Papamiento : Relexicalisiert


Über Papamiento weiß ich nur Bescheid durch John McWhorter. Sein Buch The Missing Spanish Creoles muß sich mit dem Thema befassen wegen den Einwand "aber es gibt doch zwei Spanische Creole : Papamiento und Bozal" wozu seine Antwort : Papamiento ist ein Creole im classischen Sinne, isolierende Grammatik (keine Formen, strenge Folge der Wörter im Satz). Aber es ist als ein Portugiesisches Creole entstanden. Es wurde dann nach Spanisch relexicalisiert. Bozal ist ein verainfachtes Spanish, aber kein Creole, es hat Formen wenn auch vereinfachte (z. B. für echtspanisches Paradigm -é, -aste, -ó, -amos, -asteis, -aron usw).

Über Schonisch weiß ich besser Bescheid, dank meiner früheren Heimat.

Und gerade das relexicalisierte Schonisch ist ein guter Grund seine Erklärung über Papamiento anzunehmen.

Also, was weiß ich über Schonisch?

Zunächst einmal, in der Phonetik, Schonisch und Norwegisch (Bokmål) sind, beide, Zwischenstufen zwischen Schwedisch und Dänisch. Mann könnte aber auch sage, Schwedisch und Norwegisch seien beide Zwischenstufen zwischen Schonish und Norwegisch. Die etymologische Gasse die auf Ostnordisch Straße bedeutet heißt so:

Dä. gade Scho. gada Schw. gata Norw. gate.

Die etymologische wie semantische Pfeife heißt wiederum:

Dä. pibe Scho. piba Schw. pipa Norw. pipe.

Die gemeinsamen Etyma der vier Sprachformen, der drei Schriftsprachen und des Bauerndialekts, sind sich sehr nahe und von allen, unabgesehen von Muttersprache, schnell verständlich. Nämlich sooft nur miteingenommen wird Dä / Norw -e gegen Schw / Scho -a, Dä / Scho b, d, g gegen Schw / Norw p, t, k zwischen Vocalen. Bei der Lenisierung sind Dänisch und Schonisch nicht ganz auf derselben Stufe, b, d, g wird im Dänischen als [w, ð, -/j] zwischen Vocalen gesprochen, im Schonischen aber als [b, d, g/j]. Die gewöhnlichen Wörter "ich" und "Woche" haben aber noch mehr phonetische Unterschiede :

Dä. jeg Norw. jeg Schw. ja' Scho. ja'
Dä. uge Norw. uke Schw. vecka Scho. vicka.

Nun zur Geschichte.

Im Jahre 1500 war Schonisch ein ostdänischer Dialekt, wie heute noch Bornholmisch. Ostdänisch hatte nie den "stød".* Die Bibellesung war auf Latein, wie die meisten feste Bestandteile der hl. Messe, und die Predigt war warscheinlich auf ziemlich regional geprägtes Schonisch.

1527 beginnt die Reformation vorzeitig in Malmö mit Claus Mortensen, Verfasser des Malmöer Psalmbuchs, ab 1544 gibt es ein anderes, von Hans Tausen der schon 1539 eine Postilla geschrieben hatte, ab 1550 gibt es in ganz Dänemark eine dänsiche Bible, die des Christian III, die Christiern Pedersen aus der deutschen Lutherbibel ins Dänische übersetzte.

Es wird aus der Bibel Christiern Pedersens gelesen, es wird ab und zu wenigstens aus der Postilla Hans Tausens gepredigt, in ganz Dänemark ist dieses Schriftdänisch jeden Sonntag Vormittag obligatorisch. Der "stød" wird nicht geschrieben, und wird daher auch weder in Bornholm noch in Schonen durch das Schriftdänische eingeführt.

Aber, Wörter die sich in den dänischen Religiösen Texten befinden verbreiten sich so zu sagen überdialektal. Für andere Wörter kann Schonisch sich schon vom Dänischen (wie vom Schwedischen) auszeichnen. Es gibt in der Bibel keine** Schubkarre:

Dä. trillebør Schw. skottkärra Scho. rullebör.

"Der Frieden von Roskilde wurde am 26. Februarjul. / 8. März 1658greg. zwischen Dänemark-Norwegen und Schweden geschlossen."


Exeunt dänische Bibeln, Psalmbücher, Postillen. Sie werden von den schwedischen Gegenstücken ersetzt.

Unter Dänemark hatte Lund keine Uni, der Clerus fuhr nach Roskilde, unter Schweden bekommt Lund im Jahre 1666 (acht Jahre nach dem Frieden) die Universität von Lund, deren erste Professoren aus Uppsala kommen. Der Stadtdialekt von Lund ist rein Schwedisch, mit schonischer (milder) Intonation.

In Schonen (wie auch Halland und Blekinge) werden jetzt schwedische Wörter verbreitet.

In Dialekten die sich phonetisch und morphosyntactisch sehr ähneln, werden Wörter ausschlaggebend sein ob ein Dialekt-Unterschied auch ein Sprachunterschied ist. Relexicalisierung (Wörter aus den schwedischen Bibeln und nicht mehr aus den Dänischen) kann in solchen Fällen eine Zuordnung zu einer Sprache verschieben. Schonisch war in dem Sinne dänisch und ist jetzt schwedisch, wie auch Halländisch und Blekingsch. Die Gruppe Ostdänisch ist jetzt gespaltet in Ostdänisch (nur noch Bornholmisch) und Südschwedisch (die anderen drei).

Hans Georg Lundahl
Paris
3. Herrentag in der Adventszeit
12.XII.2021

PS. Wenn dies ein academisches Paper wäre, wären Ergänzungen zu machen, z. B. über die Blutigkeit der Reformation (Franziskaner von Ystad weggejagt, nachdem der Prior getötet wurde, mit einer Hellebarde, von einem Knecht, der doch catholisch getauft und erzogen war), oder daß die Neuigkeiten auch die Formlehre und Syntax betreffen, oder daß auch Bürger in den Städten zu der Umorientierung der Sprache beitrugen : weniger Einwanderung aus Roskilde oder Odense oder Kopenhagen, mehr aus Göteborg oder Kalmar u dgl. Dies ist aber ein Essay - Edutainment, kein academisches Paper./HGL

* Siehe hierzu Viggo Sørensen:

Prosodemet stød, som det kendes fra rigssproget, forekommer også i hovedparten af vore dialekter. Undtaget er dog nogle syddanske, nemlig dialekterne med tonale accenter nævnt i pkt. 6.1, desuden lolland-falstersk, nordlangelandsk, det allersydligste fynsk og sjællandsk, samt bornholmsk.


Viggo Sørensen: Lyd og prosodi i de danske dialekter
https://jysk.au.dk/fileadmin/www.jysk.au.dk/publikationer/centrets_publikationer/lydogprosodi.pdf


** Die Bibel war vertiggeschrieben als Pascal die Schubkarre erfand. Und zwar betreffs der einzelnen Bücher schon mehr als eineinhalb Jahrtausende davor.

No comments: