Sunday, February 23, 2014

Wenn mir Handke a Paar Rathschläge erlaubt

Welcher denn? Thomas Handke.

Er ist ein möglicherweise talentierterer Komponist als ich selbst, wenigstens einer mit mehr musikalischem Feingefühl in der Arbeitsweise.

  • 1) Es muß nicht alles, alles, alles abgefühlt werden (etwa wie wenn Tolkien nachfühlte ob Sindarinisch Vogel aew oder oew hieße).

    Wenn Polydalides oder einer seiner heutigen Kollegen von vorne herein weiß daß eine Szene (ohne Worte, denen die Musik unterbrechen würde) in Conan z B zwo Minuten dauert und daß bei 1 Minute 27 Sekunden eine Schlange kriechen soll, dann fühlt er nicht ab wie lange ein Thema oder eine Instrumentalkomination oder eine Dynamik-lage dauern soll, er mißt es an der Zeitdauer ab.

    Wenn Mozart oder Haydn beschlossen ein zwotes Thema solle soviel Takte dauern (oder bei Mozart vielleicht eher zwote Themengruppe, bei Haydn oft zwoter Themeneinsatz auf jetzt moduilierter Ebene - denn ihre Musicologen hießen nicht Czerny sondern Riepl und Fux, Matheson und Koch und sagten nichts über ein Zweithemenobligatorium oder -Ideal), dann brauchetn sie es auch nicht nachzufühlen, wie lange dies oder jenes dauert, die rechneten einfach die Takte, nur einfach so, natürlich darauf achtend daß die beschlossene oder zu beschließende Taktenzahl die Ausfaltung der Themengestalt zuließ.

  • 2) Es muß nicht alles lang sein, aber "kann" ist was anderes. Es gibt geschichtliche Beispiele langer Meisterwerke wie die Neunte Symphonie oder schon die Fünfte Beethovens, es kann sie wieder geben. Auch in der Epik gab es eine alexandrinische Epyllien-Dichtung, die die großen Formen mied - und nachher die Äneis. Die Sonatenform ist von der Dreisätzichkeit unabhängig, wie z B in Scarlatti.

  • 3) Wenn mann länger schreiben will, gibt es verschiedenes zu lehren.

    • a) Lernen waß mann wiederholen kann, auch so, ohne daß es langweilig wird. Oder wie mann es mechanisch wiederholt ohne langweilig zu werden - z B vier Takte mit Kadenzierung erst einmal vollständig, und dann wieder nur zwei oder drei Takte, oder acht Takte einmal vollständig und das zweite Mal gestutzt auf nur 6 oder 7 Takte - eine Taktik die Scarlatti liebte. Oder wann es mit einfacher Wiederholung zur höheren Spannung geht z B zwei oder vier (oder auch drei?) Takte wiederholen sich vor ein Gebilde mit der doppelten Taktenzahl (also derselben wie die wiederholte Gruppe zusammen) und einer oft anderen Struktur (also nach 2+2 identische nicht wieder 2+2 identisch miteinander, sonder z B 2 +1/2 +1/2 +1).

    • b) Lernen wie die directe Wiederholung von anderen Methoden abzulösen ist. Ein Fugato oder (in meinen einstimlmigen Sätzen oft, u. zw. in der Durchführung) ein "Pseudofugato", d h. dieselbe Stimme macht Dux-Comes-Dux oder Comes-Dux-Comes wobei die rückkehr eine Oktave höher oder tiefer liegt. Oder einfache Augmentation. Oder abgebrochene Wiederholung mit Einschüssen (1234 widerholt als 12ab34(cd) oder als 1a2b334- u s w). Oder ...

    • c) bei Romanen kann mann freilich einfach Kapitel nach Kapitel addieren, auch Kurze, u zw einschiebend zwischen den schon vorhandenen.

      Beim Komponieren mache ich oft zuerst das Format (z B 24 Takte erste Halbe, 36 oder 48 Takte zweite Halbe), dann Teil nach Teil jeweils auf beiden Seiten des mittleren Repetizions-Zeichens. Und dann sehe ich einfach nach wieviel hier oder dort noch an Takten übrig bleibt. Jede noch freie Takte ist eine Anregung zu was besonderes - im Zusammenklang mit dem ganzen.

      d) bei mehrstimmigen Werken kommt hinzu die Wiederholung in anderer Stimme, aber da ist mir Thomas Handke weitestens voraus. Daher schweige ich darüber.


Herr Handke, vielen Dank für gute Musik! Und gesegneten Sonntag!

Hans-Georg Lundahl
Bpi, Georges Pompidou
Sonntag Sexagesima
23-II-2014

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